Im Jahre 2003 erstritt ein Kieler Chirurg vor dem Europäischen Gerichtshof, dass die Bereitschaftszeit (also z. B. der Nachtdienst) zur Arbeitszeit gerechnet wird. Da man zuvor oft 80-100 Stunden pro Woche im Krankenhaus verbrachte, fehlten plötzlich massiv Ärzte, die diese Zeiten auffangen konnten. Hätte man das Gesetz damals direkt umgesetzt, hätte man mindestens 15.000 Ärzte mehr gebraucht.
Heute besteht kaum noch Bereitschaft zu massiven Überstunden. Das gilt nicht nur für den Krankenhausarzt. Auch den Hausarzt, der Tag und Nacht zur Verfügung steht, gibt es nicht mehr. Wie überall in der Gesellschaft, wächst der Wunsch junger Ärzte nach geregelten Arbeitszeiten.
Einer der entscheidenden Gründe des Ärztemangels ist der wachsende Frauenanteil unter den Medizinern. Waren vor 20 Jahren nur ein Drittel der Ärzteschaft Frauen, sind heute unter den Studenten bereits 60-70 % weiblich. Da man aber für einen männlichen Arzt 1,6 Ärztinnen benötigt, kann man sich leicht ausrechnen, dass dies einen Mangel kreiert. Insgesamt ist die Anzahl der Medizinstudienplätze sogar deutlich reduziert worden.
Die Altersstruktur der Ärzte ändert sich ebenfalls. So gibt es im Münsterland viele Gemeinden, in den alle oder fast alle Hausärzte über 60 Jahre sind. Dass Westfalen bundesweit Schlusslicht in der Vergütung der Hausärzte ist, hilft nicht gerade bei der Suche nach jungen Kollegen, die die Praxen weiterführen wollen.
Obwohl dies inzwischen alle entscheidenden Instanzen von Krankenkassen, Ärztekammer und Politik zugeben, wird tatsächlich kaum was dagegen getan, dass es irgendwann wieder besser wird. Die Bevölkerung wird sich wohl darauf einstellen müssen, dass das gesundheitliche Schlaraffenland Deutschland keine Zukunft hat.